Burn-out-Syndrom

Angstzustände


Die Patientin kam im Frühsommer 2013 im Alter von 24 Jahren in meine Behandlung, aus Anlass einer im Rahmen einer Umschulung bevorstehenden Prüfung.

Sie litt unter großem Erschöpfungsgefühl und Angstzuständen, die manchmal tagelang anhielten, fühlte sich kraftlos wie bei einem Infekt; Schweiß wechselte mit Frostgefühl.

Sie nahm Antidepressiva, war immer müde und auch nach 10 - 12 Stunden Schlaf nicht ausgeruht.

 

Vorgeschichte:

Die Patientin ist ein Trennungskind und kam mit einer Saugglocke zur Welt. In der ersten Zeit schrie sie viel ("Schreikind"), brauchte viel Nähe. Als Kleinkind musste sie wegen eines schweren Magen-Darm-Infektes im Krankenhaus behandelt werden. Sie war oft krank, v. a. Atemwegsinfekte, die mehrfach antibiotisch behandelt wurden. Eine Augenfehlstellung wurde im Alter von ca. vier Jahren mit Abdecken korrigiert.

Ungefähr in dieser Zeit entwickelte sie ein Hautekzem, das unter Cortisonsalbe wieder verschwand.

Sie war schon immer ängstlich und extrem vorsichtig, mochte keine Neuerungen. Mit sieben Jahren wurde sie gegen Keuchhusten geimpft; danach brach die Krankheit aus.

Mit Eintritt in die Schule wurde sie zur "Frustfresserin", fühlte sich abgelehnt, kann sich bis heute selbst nicht akzeptieren ("Selbsthass"), litt phasenweise unter Bulimie.

Sie bezeichnet sich als im Grunde körperlich stark, trieb phasenweise exzessiv Sport ("hart zu sich selbst"); seit einem kleinen Bandscheibenvorfall infolge eines Auffahrunfalls mit 18 Jahren hat sie ab und zu Rückenschmerzen.

 

Der gegenwärtige Zustand begann relativ plötzlich am Jahreswechsel 2009/2010 mit großer Schwäche und Krankheitsgefühl. Sie litt unter Unruhe, Unfähigkeit, allein zu sein, Angstzuständen mit muskulärer Verkrampfung ("Endzeitgefühl"), Schlaflosigkeit. Ein Krankenhausaufenthalt mit zahllosen Untersuchungen (u. a. MRT Kopf, Liquorpunktion) brachte kein Ergebnis, sie wurde in eine psychosomatische Klinik überwiesen, wo sie sich geborgen fühlte und vorübergehend erholte.

Seit ihrer Entlassung 2011 nimmt sie ein Antidepressivum, das Panik und Todesangst unterdrückt. Die Dosis hatte sie etwas reduziert, erwägt jetzt aber, sie wieder zu erhöhen. Sie kann "immer schlafen", ist aber nie ausgeruht, trägt eine Knirscherschiene.

Die Patientin ist ein athletischer Typ, war früher körperlich sehr leistungsfähig. Ihren derzeitigen Schwächezustand empfindet sie als existenziell bedrohlich.

Sie hat alle üblichen Impfungen erhalten, außerdem Grippe, Hepatitis und 2008 die Gebärmutterhalskrebs-Impfung ("Gardasil"), an die sie sich als extrem schmerzhaft erinnert. Sie ist mit Hunden aufgewachsen, hängt sehr an ihren Tieren.

 

Familiengeschichte:

Nervöse Reizbarkeit in einem Fall, coronare Herzkrankheit; ansonsten sind die Großeltern alt geworden oder leben noch.


Einschätzung:

Eine starke Patientin, die "zurück ins Leben" will und damit hadert, dass ihre Lebenskraft nicht mitmacht. Das Verhältnis zum eigenen Körper ist durch zahlreiche Eingriffe und Irritationen blockiert und gestört.

 

Verlauf:

Zunächst denke ich an das Erschöpfungsmittel Bacillus No 7, das sich aber erfahrungsgemäß mit Antidepressiva nicht verträgt. Aufgrund der Vorgeschichte wähle ich Penicillinum.

Die Patientin fühlt sich danach morgens etwas ausgeruhter, entwickelt Bläschen auf der Haut und Ohrenschmerzen.

Nach einer Zwischengabe Gardasil und MMR verstärkt sich das aufkommende Infektgefühl, und wir entscheiden uns für Carcinosinum, wiederholen außerdem in Abständen Penicillinum, MMR und Gardasil.

Die Patientin berichtet: "Alte Sachen kommen hoch", zehn Tage nach Behandlungsbeginn ein heftiger Magen/Darm-Infekt mit Rücken- und Gliederschmerzen, wie sie ihn zuletzt vor dreieinhalb Jahren hatte, bevor der Zustand eintrat, der zu unserer Zusammenarbeit führte. Carcinosinum bessert schnell, aber die Gemütsverfassung, die sich etwas stabilisiert hatte, fällt wieder zurück auf den Anfangsstand. Die Patientin beschreibt sie als negativ, depressiv, außerdem leidet sie unter Völlegefühl und Hitzewallungen. Ich empfehle  erstmals Lyssinum.

Dieses Mittel brachte eine grundsätzliche Wende. Obwohl die Hitzewallungen anhalten und auch immer wieder Angstgefühle hoch kommen, ist die Stimmung deutlich besser als die körperliche Verfassung. Die Patientin erzählt mir, dass sie sich seit Beginn der Pubertät zum ersten Mal wohl in ihrem Körper fühlt. Sie möchte Penicillinum im Wechsel mit Lyssinum nehmen.

Nach einer weiteren Woche – inzwischen fünf Wochen seit Behandlungsbeginn – berichtet sie mir von einigen alten Symptomen, die gekommen und wieder vergangen sind, Lippenherpes, nächtliche Panik mit Herzrasen (nach viel Cola), Verdauungsbeschwerden. Sie möchte vorerst nichts ändern.

Als nach einer weiteren Woche Herzklopfen und auch Atemnot wiederholt aufgetreten sind, empfehle ich Dysenterie-Compound (kurz "Dys-Co").

Mit dieser Arznei fühlt sie sich bis heute wohl. Zunächst nimmt sie weiterhin Dys-Co, Penicillinum und Lyssinum im Wechsel, setzt dann zuerst Penicillinum, später auch Lyssinum ab.

Nach etwa zwei Monaten finden ihre Mitschüler, sie hätte sich verändert; sie "muckt auf", lässt sich nichts mehr gefallen, sagt ihre Meinung. Die Patientin fühlt sich weiterhin wohl mit sich selbst, ist inzwischen auch körperlich wieder leistungsfähig, hat an einem Tanz-workshop teilgenommen. Ihr Antidepressivum hat sie reduziert.

Mittlerweile ist Dys-Co das wichtigste Mittel. Ab und zu braucht die Patientin Zwischengaben von Impfnosoden, die wir anhand von spezifischen Symptomen auswählen (MMR, DiTetPol, Gardasil).

Vor den Prüfungen im September benötigt sie vermehrt Arzneien, jetzt auch Bacillus Morgan Bach und wieder Carcinosinum. Prüfungsangst und vor allem die Frage "Wie geht es danach weiter?" belasten sie sehr, hinzu kommt eine schwierige familiäre Situation. Phasenweise kommen alte Ängste zurück, und sie erhöht vorübergehend die Dosis ihres Antidepressivums, das sie dann kurz darauf "genervt" ganz absetzt.

Bis Mitte Oktober telefonieren wir sehr häufig. Die Patientin hat mittlerweile ihre Prüfungen mit "sehr gut" bestanden. Sie hat eine Stelle in einer anderen Stadt angenommen und organisiert jetzt ihren Umzug. Seither haben wir seltener Kontakt, sie arbeitet viel und hat wenig Zeit.

Im Januar berichtet sie mir, es gehe ihr "überwiegend sehr gut", obwohl es auch immer wieder Einbrüche gibt. Sie hat Pläne für die Zukunft, will sich weiter entwickeln. Noch immer nimmt sie gern und häufig Dys-Co, aber auch wieder ihr Antidepressivum in niedriger Dosis, "zur Sicherheit"; Mitte Januar empfehle ich eine Zwischengabe MMR wegen unausgeglichenen Wärmehaushaltes.

 

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